Reisebericht vom 16. Mai 2009

Reisebericht vom 16. Mai 2009 Leider sind wir schon bald am Ende der Lofoten. Es fällt uns schwer, diese Inselwelt zu verlassen, also machen wir noch einen Abstecher an die Westküste zum Sundlandsfjord. Hier erwartet uns ein völlig anderes Landschaftsbild. Landwirtschaft betreiben hier an der flachen Küste die wenigen Einwohner. Bei der Ortschaft Delp lädt ein Platz direkt am Meer zum Anhalten ein. Wow, super diese Sicht auf den Ozean. Die Sonne lässt die Temperatur etwas steigen. Kurzum entschliessen wir, gleich hier zu bleiben. Am Abend präsentiert uns die Natur einen schönen aber doch schon kitschigen Sonnenuntergang, den wir aus dem Küchenfenster bis spät beobachten können.

Heute verlassen wir leider die Lofoten endgültig. Von Delp aus folgen wir weiter der Küste. Diese Strasse aber kann man kaum als Strasse bezeichnen, eher als Rumpelpiste. Schnee und Eis haben ihr schwer zugesetzt. Wir brauchen ganz schön lange bis wir endlich auf die E10 treffen und von dort nehmen wir den neuen Oksfjord-Tunnel zum Festland. Durch diesen neu gebauten Tunnel sind die Lofoten seit 2007 mit dem Festland verbunden. Schnell ändert sich die Landschaft. Auch sie ist schön, aber natürlich nicht mit den Lofoten vergleichbar. Am Herjangsford bei der Ortschaft Herjangen bleiben wir über Nacht. Zum Znacht bruzeln wir eine feine Berner Rösti mit Spiegelei. Holdrio….

Bis Bjerkvik ist es nicht mehr weit. Hier treffen wir wieder auf die E6. Bei einer Tankstelle sehen wir, dass hier der Diesel viel günstiger als sonst angeboten wird. Logisch dass wir unseren Tank randvoll füllen. Der Verlauf der E6 führt uns für längere Zeit ins Landesinnere, über kleinere Pässe, Waldgebiete. Wir treffen wieder auf die Küste und so auf die Fjorde mit ihren langen Einschnitten, die wir verkehrstechnisch sehr gut spüren. Denn solche Fjorde gilt es meist zu umfahren. Um 14:00 h halten wir für eine Kaffeepause, einem der wenigen Shops, die am Karfreitag geöffnet haben. Dieser Shop bietet Softeis an. Sofort erinnert sich Rico, dass Norwegen extrem gute Softeis herstellt. Diese Gelegenheit lassen wir uns nicht entgehen und genehmigen uns eines. Der Verkäufer meint es gut mit uns, er gibt uns eine Riesenportion. Es ist schon komisch; im Winter sitzen wir draussen vor dem Laden mit Softeis und Kaffee. Würden wir das zu Hause auch tun? Dennoch, wie vorhergesagt, es schmeckt ausgezeichnet. Danach fahren wir stundenlang der Küste entlang. Obwohl uns das Wetter nicht mit stahlblauem Himmel und Sonnenschein verwöhnt, spiegelt sich die gegenüberliegende Bergwelt in dem absolut windstillen Altafjord. Gigantisch, man könnte es stundenlang ansehen und im Minimum tausendmal fotografieren. Und dann ist da natürlich noch ein kleines Jubiläum zu erwähnen. Unser 40-jähriger Saurer 2DM alias tipitapa-hüsli hat heute die 200‘000 km-Grenze überschritten. Bravo und weiter so.


Schnell erreichen wir die Stadt Alta mit seinen 17‘000 Einwohnern. Die grösste Stadt des dünn besiedelten Verwaltungsbezirks Finnmark liegt an der E6 an der Stelle, wo der Alta-Fluss, der bekannteste Lachsfluss Norwegens, in den Altafjord mündet. Alta liegt weit oben im Norden und ist Sitz einer Hochschule. Eine wirtschaftliche Rolle spielt die Fischerei, die Fischverarbeitung sowie der Bergbau. Obwohl die Stadt auf 70 Grad nördlicher Breite liegt, bietet das vom Golfstrom begünstigte milde Klima ideale Bedingungen für die Land- und Forstwirtschaft. In Alta ist die Mitternachtssonne vom 16. Mai bis zum 26 Juli zu sehen, und vom 24. November bis zum 18. Januar zeigt sich die Sonne überhaupt nicht. Unser Weg führt uns in östliche Richtung. Je weiter wir nach Osten vordringen, wird die Gegend immer kahler und abweisender. Von den hohen Berggruppen im Westen geht das Land nach Osten in niedrige Plateau-Flächen über, aus denen nur vereinzelte, abgerundete kahle Kuppen aufragen. Nun breitet sich vor uns das riesige Land der Samen, „Sapmi“, wie sie sich selbst nennen, aus. Die Bezeichnung „Lappland“ wird nicht gerne gehört. Unter „Lappland“ versteht man geografisch den nördlichen Teil Skandinaviens, an dem politisch Norwegen, Schweden, Finnland und Russland Anteil haben; von den Skandinaviern selbst wird die Region meist als „Nordkalotte“ bezeichnet. Das Wort „Samen“ ist abgeleitet vom finnischen Wort „Suomi“ = Sumpfpfad. Sie selbst nennen sich „Samit“ oder „Samek“. Hauptbesitz der Samen sind die Rentiere, eine kälteliebende Hirschart, bei der beide Geschlechter Geweihe tragen. Ein einzelner Same muss für seinen Lebensunterhalt mindestens 100 bis 200 Stück haben, doch überschreitet sein Besitz nur selten die Zahl von 500. Da eine von Rentieren abgeweidete Gegend viele Jahre zur Erholung braucht, benötigen die Herden für ihre Ernährung ausgedehnte Gebiete. Aus den ehemaligen Nomaden sind moderne Rentierzüchter geworden, die ihre Herde mit einem Motorschlitten zusammentreiben und sie auch schon mal aus dem Helikopter zählen. Neben der Rentierhaltung betreiben die Samen häufig auch noch weitere Viehwirtschaft und etwas Ackerbau. An diesem schönen, sonnigen Ostersonntag begegnen wir vielen Ausflüglern, die die freien Tage zum Hundeschlitten- und Snowmobil-Fahren auf den zugefrorenen Flüssen nutzen.

In der Nacht wurde es spürbar kälter. Der Schutz der Berge fehlt. Kurz nach dem Mittag erreichen wir die Samengemeinde Kautokeino. Sie ist die einzige norwegische Stadt mit einem offiziellen samischen Namen und das kulturelle Zentrum der Samen mit Sitz zahlreicher samischer Institutionen. Nur hier sieht man noch die traditionelle, winddichte Samentracht als Alltagskleidung. Kautokeino ist mit einer Fläche von 9‘687 km2 die grösste Gemeinde Norwegens, jedoch ist die Bevölkerungsdichte sehr gering: im Ort selbst leben nur 1500 Menschen, allerdings etwa 100‘000 Rentiere.

Es ist uns gar nicht drum weiterzufahren, denn wir wissen, dass wir nach 25 km an der Grenze zu Finnland sind und somit Norwegen verlassen werden. Etwas wehmütig und vielleicht mit einer Träne im Auge müssen wir uns trotzdem durchringen. Hat uns doch Norwegen anfangs geschockt wegen den teuren Preisen, uns später jedoch so viel gegeben. Nebst einer unbeschreiblichen Landschaft, die man in Europa kein zweites Mal antrifft, bewohnen herzensgute Menschen dieses schöne Land. Nur in einem fühlen wir uns masslos betrogen; sind doch am Strassenrand dauernd Warnhinweise „ Vorsicht Elch“ zu sehen, zu Gesicht bekommen haben wir nie einen!


Nun ist es soweit, da vorne ist die Grenze. Wir halten kurz an und Rico geht ins Zollhäuschen. Kontrolliert wird nichts, man fragt nur: „Do you sleep in this truck? Welcome to Finland“. Ausser dass wir hier wieder mit Euros bezahlen und der Dieselpreis um ca. 25 Cent pro Liter gesunken ist, hat sich nicht viel verändert. Landschaftlich dasselbe Bild.

Da wir bereits in 4 Tagen in Helsinki sein müssen, und doch noch fast 1000 km vor uns liegen, müssen wir richtig Tempo geben. Stundenlang fahren wir durch die weiten Waldlandschaften. Eher etwas langweilig zieht sich die schnurgerade Strasse übers Land. Links Bäume, rechts Wälder und etwas später links Wälder und rechts Bäume. Hie und da erblickt man einen zugefrorenen See. Und schon erreichen wir wieder den Polarkreis, diesmal auf finnischer Seite. Ab hier wird es auch für uns wieder früher dunkel. Und so erreichen wir irgendwann die Küste, das sogenannte Bottmische Meer, bei Kemi. Hier kennt Rico eine Sehenswürdigkeit, den Eisbrecher Sampo, den er Monika zeigen will. Er ist zu einem Restaurant umgebaut, aber trotzdem 100%-ig fahrtüchtig. Zum Mittagessen sind wir leider zu spät, aber fotografisch wird es festgehalten. Wir fahren weiter der Küste entlang vorbei an der Stadt Oulu Richtung Jyväskylä. Unterwegs machen wir Rast auf der etwas aussergewöhnlichen Glockenraststätte. Ein Restaurant das ganz unter dem Motto „I ghöre es Glöggli“ steht. Hunderte von Glocken in allen Grössen, alle funktionstüchtig, an denen nach Herzenslust gebimmtelt werden darf. Am späteren Nachmittag hat Rico noch einen wahren Insider-Tipp als Überraschung auf Lager. Kaffee und Kuchen ist angesagt. Ein schnüsiges Häxehüsli mitten im Wald, gefüllt mit Kuchen und Torten. Wobei man sich kaum entscheiden kann, welches Stück verspeist werden soll. Ein absolut geniales, kleines Häuschen, die Einrichtung passend zum Thema Kaffee und Kuchen. Ein stopp lohnt sich auf jeden Fall.

100 km vor Helsinki haben wir übernachtet, es dürfte kein Problem sein, um 18:00 h das Schiff zu erreichen. Erst gegen 12:00 h fahren wir los, machen unterwegs noch einen Kaffeehalt und erreichen dann die Hauptstadt Finnlands. Auch in dieser Stadt kennt sich Rico bestens aus und weiss im Zentrum einen Parkplatz. Wir gehen auf den Markt, spazieren im Hafen herum und schlagen so die Zeit tot. Laut unseren Informationen ist einchecken um 18:00 h, wo das Schiff steht, weiss Rico ja. Wir entscheiden uns, schon früher zum Anlegeplatz zu fahren und stellen mit Entsetzen fest, dass da alles geschlossen ist. Wir fragen an der nahegelegenen Tankstelle, die wissen aber nichts. Bei der Kohlenfabrik gleich nebenan treffen wir auf einen Pförtner, der zwar kein Englisch spricht, uns aber mitteilt, dass die Anlegestelle neu ca. 13 km ausserhalb am Vuosaari-Hafen ist. Dies zu finden ist gar nicht so einfach. Ohne GPS und Stadtplan, nur nach Gespühr und dürftigen Informationen suchen wir, wenden wir, fragen wir und finden wir schlussendlich. Um ein Haar hätten wir das Schiff verpasst, denn nicht einchecken um 18:00 h sondern Abfahrt um 18:00 h! Aber man hat auf uns gewartet und den letzten Platz für unser „Hüsli“ freigehalten. Wir haben noch nicht mal alles abgestellt, schliesst das grosse Tor und das Schiff bewegt sich. Uff, Schwein gehabt. Die nächsten 27 Stunden werden wir auf dem Schiff verbringen und uns die Bäuche vollschlagen, denn wir haben Vollpension gebucht. Was uns erlaubt vom riesigen Buffet, das praktisch alles was man sich wünscht im Angebot hat, so viel zu kosten wie wir wollen.

Die Zeit vergeht wie im Flug, und um 20:00 h erreichen wir die Küste und den Hafen von Travemünde. Das Ausschiffen sowie die Ausfahrt aus dem Hafen verläuft schnell und zügig. Nichtswissend fahren wir mal auf die Westseite der Stadt und finden ohne zu suchen auf Anhieb einen Stellplatz für Wohnmobile, die die Stadt Travemünde speziell eingerichtet hat. Ja super, hier werden wir bis Mittwoch bleiben, denn wir müssen noch einiges erledigen und unser „Hüsli“ auf die Schifffahrt vorbereiten. Das Wetter ist auch gut, den Schnee der letzten zwei Monate vermissen wir aber schon ein wenig. Zu schön waren die Winterlandschaften.
Heute muss unser „Hüsli“ nicht arbeiten. Dafür wir umso mehr. Heute wollen wir unsere Wäsche waschen. Im Internet finden wir einen Waschsalon in Lübeck, das benötigte Plänli drucken wir uns aus. Wir sind ja ausgerüstet und haben natürlich auch einen Drucker dabei. Wir verstauen unsere Schmutzwäsche im grossen Rucksack und fahren mit dem Motorrad die 19 km nach Lübeck. Auf Anhieb finden wir die Wäscherei und schon drehen sich die Waschtrommeln. Drei Maschinen arbeiten für uns und das dauert eben schon etwas. In der Zwischenzeit fährt Rico zum Einkaufen. Erst gegen Abend kehren wir mit frischer Wäsche zurück nach Travemünde. Super, die erste Arbeit ist erledigt. Morgen ist das „Hüsli“ an der Reihe.

Um ein Fahrzeug in Kanada einführen zu dürfen, muss es von Schmutz und Staub befreit sein. So lauten die Bestimmungen der Kanadier. Unser „Hüsli“ würde im jetzigen Zustand einen Test nie bestehen. In Norwegen werden die Strassen nicht gesalzen sondern es wird Sand gestreut. Und genau dieser ist im Anhänger überall. Innen und aussen alles staubig, was eine radikale Reinigung bedeutet. Alles muss raus, entstaubt und gereinigt werden. Diese Aktion ist sehr zeitaufwendig. Das Wetter ist super und so machen wir uns an die Arbeit. Den ganzen Tag brauchen wir um unser „Hüsli“ und Anhänger Innen zu putzen. Die Aussenreinigung werden wir dann Morgen in einer Waschanlage vornehmen.

Nicht auf Anhieb finden wir in Lübeck eine Waschanlage in der wir unser grosses Gefährt waschen können. Aber auch das bewältigen wir und schon sind wir am einschäumen, waschen, rubbeln, abspritzen, polieren, wiederholen, und nochmals, nochmals, nochmals, bis unser „Hüsli“ glänzt und gestriegelt ist für die weite Reise über den grossen Teich. Irgendwie haben wir das Gefühl, dass uns das „Hüsli“ dankt für die Wäsche. Vermutlich hat der Sand schon etwas gekratzt. Bis Hamburg sind es nur noch 60 km, die wir mit links unter die Räder nehmen. Um das richtige Dock am richtigen Hafen im richtigen Stadtteil von Hamburg zu finden, haben wir uns ein Plänli besorgt und so fahren wir schnurschtraks dahin. Vor dem grossen Gebäude der HHLA Terminal O‘swaldkai hat es Parkplätze für LKWs und einer dient uns für unsere letzte Nacht im „Hüsli“ in Europa.

Punkt 7:00 h stehen wir im Büro der Unikai um unser „Hüsli“ abzugeben. Da wir schon sehr früh sind, müssen wir auch nicht lange warten. Es werden nur einige Papiere ausgestellt und von uns unterschrieben und schon fährt Rico das „Hüsli“ in den Zollhof und übergibt den Schlüssel. Zur unserer Überraschung wird nichts angeschaut, kontrolliert oder gefragt, kann das sein, dass das schon alles ist? So nun ist es endgültig. Wir werden unser „Hüsli“ frühestens in Kanada wieder sehen. Irgendwie ein komisches Gefühl, kein fahrendes Haus mehr zu haben. Rico wird in den kommenden zwei Wochen in Süd-Frankreich sein. Er hat das Glück, dass er sofort eine Reise an die Côte d‘Azur machen kann. Jeweils von Samstag bis Donnerstag. So gibt’s ein paar zusätzliche Fränkli in die Hosentasche. Monika muss leider derweilen zu Hause bleiben und diverse Sachen erledigen. Als kleines Zückerli werden wir noch vier Tage nach New York gehen, bevor wir unsere Welt-Reise in Kanada fortsetzen.


Bald erzählen wir spannende Abenteuer aus Kanada.




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